Der Papierjunge : Roman

Andruchowytsch, Sofia, 2016
Gemeindebücherei Heiligenbrunn
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Medienart Buch
ISBN 978-3-7017-1663-0
Verfasser Andruchowytsch, Sofia Wikipedia
Beteiligte Personen Weissenböck, Maria Wikipedia
Systematik DR - Romane, Erzählungen und Novellen
Schlagworte Verrat, Verstrickung, Hingabe, galizische Kleinstadt, 1900
Verlag Residenz-Verl.
Ort Salzburg ; Wien
Jahr 2016
Umfang 306 S.
Altersbeschränkung keine
Sprache deutsch
Verfasserangabe Sofia Andruchowytsch. Aus dem Ukrain. übers. von Maria Weissenböck
Annotation Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html);
Autor: Michaela Grames;
Berührende Erzählung über das Schicksal zweier junger Frauen in Galizien um 1900. (DR)
Galizien um 1900: Stefa und Adelja sind wie Schwestern gemeinsam aufgewachsen und können scheinbar ohne einander nicht sein. Doch das Verhältnis zwischen den beiden ist ein ungleiches, denn Adelja ist die Tochter eines wohlsituierten Arztes, während Stefa das Kind von Dienstboten ist, das nach dem Tod der Eltern von Adeljas Vater aufgenommen wurde und nunmehr als Dienstmädchen für Adelja und ihren Mann arbeitet. Obwohl es immer wieder Spannungen gibt, fühlt sich Stefa für das Wohl der schwächlichen und überspannten Adelja verantwortlich und sieht sich außerstande, ein eigenständiges Leben auch nur in Erwägung zu ziehen. Dann taucht eines Tages ein geheimnisvoller Junge auf, der spindeldürr und unnatürlich biegsam ist und bisher mit einem Zirkus durchs Land gezogen ist. Er wird in die Familie aufgenommen.
Aus der Sicht der naiven jungen Stefa erzählt die Autorin eine Geschichte über Liebe, große Emotionen, Enttäuschungen und Verrat. Sie versteht es, ein mysteriöses Netz aus Illusionen zu flechten, in das sich die LeserInnen alsbald verstricken. Mit ihrer ausdrucksstarken Sprache zeichnet sie ein lebendiges Bild einer vergangenen Zeit voller gesellschaftlicher Zwänge, in der die Träume an der Realität scheitern. Ein Schicksalsroman, der nahegeht und berührt.

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Quelle: Pool Feuilleton;
Es gibt Tausende Gründe, einen zeitgenössischen Roman zu lesen, einer könnte sein, dass man herausfinden möchte, wie in einem vom Bürgerkrieg bedrohten europäischen Land die junge Intelligenz tickt und welchen Themen sie sich zuwendet.
Sofia Andruchowytsch gilt als ukrainischer Shooting Star der Literaturszene und hat als Tochter des berühmten Jurij Andruchowytsch vermutlich jede Menge Bonus und Malus auszuhalten. Interessant ist jedenfalls, wovon eine Autorin mitten in einer wild gewordenen Welt schreibt: Vom Leben eines Dienstmädchens im galizischen Stanislau des Jahres 1900!
Im Roman "Der Papierjunge" spielt sich vordergründig alles unter einem Zauber ab, der über die Figuren, Handlungen und politischen Konstellationen gelegt ist. Die Ich-Erzählerin Stefa und ihre Geistesschwester Adelja wachsen im Multi-Kulti-Getümmel von Stanislau auf, die beiden sind unzertrennlich und fühlen sich als Geäst aus einem Stamm. Adelja heiratet den Steinmetzmeister Petro, die Erzählerin wird zu einer Dritten im Bunde, die halb als Beraterin, halb als Dienstmädchen den Haushalt schaukelt.
Gegen Mitte des Romans taucht ein seltsamer Junge auf, der vorsichtshalber Felix (Felix Austria) genannt wird und an einer eigentümlichen Krankheit leidet. Er hat Gummi-Knochen und kann seinen Körper wie eine Schlange durch alle Ritzen schlängeln. Niemand weiß, woher das Findelkind der Monarchie kommt. Jedenfalls bleibt Felix bei Stefa hängen, die in seiner Betreuung eine schöne Herausforderung sieht.
Dieser unheimliche Papierjunge ist angeblich Teil von einem Illusions-Zirkus, der auf der ganzen Welt unterwegs ist. Geleitet von einem Magier Thon taucht dieser Zirkus alles in Papier und bringt die gesamte Vorstellungswelt ins Schwanken, weil alles plötzlich eine Illusion sein kann.
Der Zirkus kommt auch nach Stanislau und verhext vielleicht auch die Erzählerin. In einem schrillen Moment ergreift sie plötzlich das Wort und dichtet ihrer geliebten Adelja eine Affäre mit einem Priester an, die Illusion ist plötzlich wahrheitstauglich, das Gerücht wird zur Informationsquelle. Halb mitleidig, halb argwöhnisch wird die Erzählerin schließlich aus dem Roman hinaus geschoben.
"Und von den einfallsreichen Bildern meiner eigenen Illusion geblendet, hatte ich nicht einmal bemerkt, dass der geschickte kleine Dieb sie gestohlen hat. / Deshalb fühle ich mich jetzt so leicht. Der Vogel hat seinen Käfig verlassen. Auf meinem Herzen lastet kein Stein mehr." (307)
"Der Papierjunge" zeigt hinter dem Ambiente einer entlegenen galizischen Kaiserstadt um 1900 dann doch noch jede Menge politischer Facetten. Die akute Herrschaft der Habsburger beschränkt sich offiziell auf Manöver und Ansprachen, die Religionen scheinen allgegenwärtig zu sein und haben in jeder Seitengasse ihre Dependancen, für Frauen bleibt nur gut zu heiraten oder gut "Dienst zu boteln". Die Aufklärung ist weitgehend verhüllt durch Religion und Zauberei. Sofia Andruchowytschs Roman erweist sich unter der magischen Hülle als brodelnder Kessel für Illusionen jeglicher Art.
Helmuth Schönauer

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