Was Linke denken : Ideen von Marx über Gramsci zu Adorno, Habermas, Foucault & Co

Misik, Robert, 2015
Gemeindebücherei Wolfau
Verfügbar Ja (1) Titel ist in dieser Bibliothek verfügbar
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Medienart Buch
ISBN 978-3-7117-2030-6
Verfasser Misik, Robert Wikipedia
Schlagworte Kommunismus, Benjamin, Walter, Existentialismus, Foucault, Michel, Frankfurter Schule, Gramsci, Antonio, Habermas, Jürgen, Marx, Karl, Marxismus
Verlag Picus-Verl.
Ort Wien
Jahr 2015
Umfang 158 S.
Altersbeschränkung keine
Sprache deutsch
Verfasserangabe Robert Misik
Annotation Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html);
Autor: Cornelia Stahl;
Einführung in eine Denkschule abseits der Wachstumsökonomie. (GP)
Mit dem Buch "Erklär mir die Finanzkrise" traf Robert Misik 2013 den Nerv krisengeplagter LeserInnen. Misik, als linker Sozialdemokrat bekannt, macht uns in seiner nun vorliegenden Publikation (im roten Einband) mit den wichtigsten Theorien linker Denktradition vertraut. Da geht es um die Ökonomie bei Karl Marx, um Gramsci, Adorno, den Soziologen Habermas bis hin zu Michel Foucault. Misik stellt Thesen auf, die provozieren und Diskussionen evozieren. Zentrale Fragen ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch: Was ist eine Gesellschaft? Welcher Konsens hält sie zusammen und die bestehende Ordnung aufrecht? Welche Bedeutung haben Tradition, Intellektuelle und Ideen in diesem Feld?
Sich näher mit Denkströmungen wie etwa der Frankfurter Schule oder dem Existentialismus zu beschäftigen, kann lohnenswert sein. Zu den Stärken des Buches gehört ein detailliertes Quellenverzeichnis, welches zur vertiefenden Lektüre anregt. Das Manifest: "Fragend schreiten wir voran" plädiert für ein Fragen, Zweifeln und für Offenheit im Denken. Allen politisch, philosophisch und ideengeschichtlich interessierten LeserInnen, die sich dieser Parole anschließen wollen, sei dieses Buch empfohlen!

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Quelle: Pool Feuilleton;
Zum freiwillig Lesen gehören immer ein Schuss Romantik und der Glaube daran, in ein halbwegs logisches und überschaubares Gebiet vordringen zu können. Viele Linke haben in den Sechziger Jahren anhand der bunten Suhrkamp-Bücher das Lesen gelernt und schwärmen heute noch davon, wie logisch, bunt und heimelig damals alles gewesen ist.
Robert Misik erzählt für Neueinsteiger, was Linke so lesen, wie linke Protagonisten getickt haben und welche Gedankengänge wann und warum in den Vordergrund getreten sind. Gleich zu Beginn räumt er mit dem Mythos auf, wonach in der linken Szene besonders viel gelesen und gedacht würde, das Danken verteilt sich dünn gesät auf alle Schichten und Gedankenträger.
Ein bisschen hängt der Belesenheitskult bei den Linken mit ihrer Wortwahl zusammen, sie sagen nicht Philosophie sondern Theorie. Während die Philosophie immer in ein Glasperlenspiel abzugleiten droht, suggeriert die Theorie, dass es irgendwo noch ihre Komplementärmenge, nämlich die Praxis geben könnte.
Indem nun die wichtigsten Schriften des Marxismus, Sozialismus, Existentialismus, Strukturalismus und Poststrukturalismus als Lesekommentar vorgestellt werden, ergibt sich auch eine Geschichte der wichtigsten Personen, die fallweise recht liebevoll frech skizziert werden.
So hat Gramsci offensichtlich den Gefängnissozialismus entwickelt, er ist lange eingesessen und hat gegen das Vergessen eine linke Theorie aufgeschrieben. Das theoretische Schreiben jenseits der Alltagswelt hat ihm zu einer kompakten Theorie der Denk-Hegemonie verholfen, die bei entsprechender Anpassung auch heute noch Gültigkeit hat.
Das gilt wohl für alle politischen Schriften, dass sie einmal historisch gelesen werden können, dann wieder durch Deviation die Gegenwart beschreiben. So ist zwar immer noch jeder ein bisschen Marxist, aber von Marx weit entfernt, der die Arbeiterschaft jenseits von ethnischen oder gendrigen Kategorien beschrieben hat.
Mira Lobes "Das kleine Ich-bin-ich" kann übrigens als Grundfeste der modernen Linke gelesen werden, zieht doch das Individuum in diesem Kinderbuch für das Selbstbewusstsein in den Krieg. Eine ganze Generation, die mit diesem Buch groß geworden ist, spricht heute noch diese Moral aus mit dem Satz: "Ich zieh mein Ding durch!" (75)
Der letzte Schrei in der Entwicklung der Linken ist die Vernetzung Marke Poststrukturalismus. Der Diskurs ist das Um und Auf, die Gedanken sind in der Cloud und warten darauf, vom Individuum abgerufen zu werden. Die Macht geht durch das Individuum durch wie durch Butter, weshalb das Individuum nicht mehr für eine Revolte zu gebrauchen ist. Im Netz gibt es keine Linke und Rechte mehr, alles ist Cloud.
Robert Misik erzählt süffisant, witzig und begeisternd von einer Materie, die man sonst gerne mit einem verrauchten Che-Guevara-Plakat oder einem bärtigen Marx-Gesicht in Verbindung bringt. "Jedes Produkt ist ein Köder, womit man das Wesen des anderen und sein Geld anlocken will" (26) Sogar Marx wird durch Robert Misiks Erzählkunst sehr zutraulich. - Ein intellektuelles Vergnügen!
Helmuth Schönauer